Wenn Gründer meinen Controlling & KPI Workshop besuchen, frage ich im Vorfeld, was sie unter dem Begriff Controlling verstehen. In der Regel fallen die Begriffe KPIs, Businessplan, Umsatz, Liquidität, Cashflow und mit einem Augenzwinkern natürlich auch der Begriff Kontrolle. Diese Statements sind nur bedingt korrekt. Controlling ist weder langweilig noch beschäftigt man sich nur mit Zahlen, Excel-Tabellen oder schwer verständlichen Diagrammen.
Mithilfe des Controllings erhalten Start-ups wertvolle Informationen:
- Über Deine Liquidität: Dein Bankkonto zeigt nicht das wirkliche Bild Deiner flüssigen Mittel. Manches wie Steuerzahlungen, Lieferantenverbindlichkeiten und je nach Rechtsform Deine Einnahmen werden zeitversetzt gezahlt. Demnach steht Dir das Geld auf dem Bankkonto nicht unbedingt vollumfänglich zur freien Verfügung.
- Über Dein Vertriebsreporting: Mit welchen Produkten verdienst Du erstes Geld? Wie hoch ist der Umsatz und Deckungsbeitrag je Produktgruppe? Welche Dienstleistungen kommen besonders gut bei Deinen Kunden an und welche eher nicht so gut?
- Über Dein Kosten- und Ertragsreporting: Hier kann mithilfe der Abschlüsse Deines Steuerberaters eine einfache Kostenarten- und Kostenstellenstruktur aufgebaut werden. Mit diesen Informationen kannst Du Dir Deine Budgetpläne aufbauen, welche Du ja letztendlich auch für Deine Investoren benötigst.
- Dein Kundenreporting: Mit welchen Kunden verdienst Du wie viel Geld? Besteht ein Klumpenriskiko, also eine große Abhängigkeit von wenigen Kunden? Wie lange dauern Deine Kundenbeziehungen und sind Deine Kunden mit Deinem Service zufrieden?
- Investorenreporting: Deine Investoren möchten wissen, ob Du es wirklich „ernst meinst“, bevor sie Dir ihr Geld zur Verfügung stellen. Und das beweist man am besten mit Zahlen. Mithilfe von Zahlen erzählst Du die Geschichte, welche Deine Investoren unbedingt hören möchten.
Controlling kann in verschiedene Kategorien oder Bereiche unterteilt werden. Am gängigsten ist die Unterteilung in das operative und strategische Controlling. Diese kompliziert klingenden Begriffe sind inhaltlich sehr einfach. Sobald Du Dich mit Deiner Geschäftsidee auseinandersetzt, befindest Du Dich bereits mitten im strategischen Controlling.
Ohne den Terminus bewusst zu verwenden, beschäftigst Du Dich mit strategischen Themen, wie zum Beispiel:
- der Produktentwicklung
- den Absatzmärkten, auf denen Du Deine Produkte anbieten möchtest
- der Kunden- und Wettbewerberanalyse
- der Entwicklung einer skalierbaren Wachstumsstrategie,
- das Etablieren von Unternehmensprozessen usw.
Ein wirksames Controlling ist so spannend wie ein Krimi und darf begeistern, weil es viele Antworten auf folgende strategischen Fragen liefert.
- Wofür steht Dein Unternehmen, was sind eure besonderen Stärken?
- Welche Probleme löst euer Start-up und was könnt ihr besser als die Konkurrenz?
- Wie groß ist euer Markt und welchen Marktanteil möchtet ihr bis wann erreichen?
- Warum ist gerade euer Team in der Lage, sich erfolgreich am Markt zu platzieren und die Herausforderung zu meistern?
- Wer sind eure Kunden und für was interessieren diese sich? Gibt es Synergien mit anderen Produkten?
- Welche Marketingmaßnahmen werdet ihr für die Kundenakquise nutzen?
- Welche KPIs möchtet ihr zur Steuerung eures Unternehmens verwenden und welche Datenquellen sind dafür notwendig?
- Wie hoch sind die Kosten für die Kundenakquise und wie hoch soll der Preis für eure Dienstleistung oder euer Produkt in 5 Jahren sein?
- Welche Prozesse habt ihr in eurem Unternehmen etabliert? Welche laufen optimal, welche möchtest Du verbessern?
- Welche allgemeinen Risiken, wie zum Beispiel der Standort des Unternehmens, Mitarbeitergewinnung oder Beschaffungsrisiken werden zukünftig in den Vordergrund rücken?
- Werdet ihr eure Geschäftsidee mithilfe von Patenten schützen lassen, bzw. wie werdet ihr mit der Verletzung eures „geistigen Eigentums“ umgehen?
- Welche Finanzprognosen habt ihr für die nächsten drei Jahre getroffen?
- Welche Finanzierungsrunden werden zukünftig notwendig sein und sind Beteiligungsoptionen für Mitarbeiter geplant?
Die Antworten auf diese strategischen Fragen definieren sich idealerweise in Zielen, welche im operativen Controlling erfüllt werden sollen. Demnach zeigt das strategische Controlling, ob Du die richtigen Dinge tust und das operative, ob Du die Dinge richtig tust.
Das operative Controlling hat einen Zeithorizont von ein bis drei Jahren und fixiert im Rahmen eines Jahresbudgets die Ziele für die jeweiligen Funktionsbereiche. Funktionsbereiche sind die Abteilungen oder Organisationseinheiten in einem Unternehmen.
Start-ups sprechen noch nicht von Funktionsbereichen, weil die Teammitglieder einfach die Aufgaben übernehmen, die sie am besten können und erledigt werden müssen. Sobald das Gründerteam feststellt, dass es aufgrund der wachsenden Unternehmensgröße das Unternehmen nicht mehr effektiv über persönliche Gespräche oder Telefonate steuern kann, wird deutlich, dass klare Steuerungsmechanismen benötigt werden.
In der Regel werden neue Mitarbeiter:innen eingestellt, neue Vertriebswege eröffnet und mehr Geld ins Marketing gesteckt. Es entstehen richtige Abteilungen. Gestartet wird in der Regel mit dem Engineering und Customer Service. Im weiteren Verlauf etablieren sich das Marketing und der Vertrieb. Auch die Finanzen werden immer wichtiger und es entsteht der Wunsch, die Kosten verursachungsgerechter zuzuordnen. Die Gründer und Investoren möchten wissen, mit welchen Produkten Geld verdient wird und ob neue Mitarbeiter eingestellt werden können. Den jeweiligen Abteilungen werden Budgets zugewiesen, über die sie frei verfügen können.
Diese Aktivitäten lassen sich nicht mehr alleine mit Excel koordinieren. Intelligente ERP-Systeme helfen organisatorische Themen, wie Zeiterfassung, Dateiablage und Teamaktivitäten zu tracken. Buchhaltungsaktivitäten und Zahlungsaktivitäten können automatisiert werden. Weiterhin enthalten solche ERP-Systeme Sonderfunktionen, wie zum Beispiel das Projektmanagement und die Reisekostenerfassung.
Gründungscoachs und Mentoren empfehlen jedem Start-up dennoch sehr früh mit dem Sammeln und Dokumentieren von Informationen über die eigenen Prozesse, Kunden, Wettbewerber, den Marktentwicklungen, sowie möglichen Risiken und Chancen zu beginnen.
Dabei generiert das Gründungsteam wertvolles Wissen über Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge im eigenen Unternehmen. Sie entwickeln unternehmensspezifische Faustformeln, die ihre Kompetenzen bestätigen und eine Kommunikation auf Augenhöhe mit den Investoren ermöglichen.
Scheitert das Start-up an diesen Herausforderungen, kann schnell das Chaos ausbrechen. Wer den Überblick verliert, macht unnötige Fehler. Es kann zu Liquiditätsengpässen kommen. Im schlimmsten Fall müssen Mitarbeiter entlassen werden oder das ganze junge Unternehmen steht auf der Kippe.