Für juristische Personen, also auch für GmbHs und UGs (haftungsbeschränkt), ist die Überschuldung ein Insolvenzeröffnungsgrund. Das heißt, dass schnell ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Hierzu ist man als Geschäftsführer der GmbH oder UG (haftungsbeschränkt) nach § 15a der Insolvenzordnung (InsO) verpflichtet. Wer den Insolvenzantrag gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig stellt, kann sich strafbar machen. Hinzu kommt, dass Geschäftsführer schnell in die persönliche Haftung rutschen, wenn sie den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig stellen.
Wieso das im Zusammenhang mit Wandeldarlehen eine besonders wichtige Rolle spielt, was Überschuldung überhaupt bedeutet und welche Besonderheiten für Start-ups gelten, wollen wir Dir hier erklären. Damit kannst Du im Ernstfall Risiken besser erkennen und schneller reagieren.
Der Begriff Überschuldung kommt aus dem Insolvenzrecht. Ganz vereinfacht ausgedrückt wird eine überschuldete Gesellschaft bald nicht mehr die nötigen Mittel haben, um ihre Schulden zu begleichen. Denn ihre Schulden sind deutlich höher als ihr Vermögen und diese Situation wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Technisch ausgedrückt hat die Überschuldung damit zwei Voraussetzungen:
Die Aktiva des Unternehmens decken nicht mehr die Passiva;
Es besteht keine positive Fortführungsprognose.
Die Gefahr einer Überschuldung entsteht, wenn die Vermögenswerte des Unternehmens (Aktiva) kleiner sind als die Schulden (Passiva). Oder andersherum, wenn die Schulden des Unternehmens (Passiva) größer sind als das Vermögen (Aktiva). Man spricht dann von einer „rechnerischen Überschuldung“.
Um die Überschuldung zu berechnen, wird eine Überschuldungsbilanz aufgestellt. Diese folgt zwar nicht den üblichen handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Dein Jahresabschluss kann aber trotzdem einen starken Hinweis geben.
Nun ist es bei Start-ups eher die Regel, dass sie erstmal keine Gewinne machen. Es kommt auch vor, dass es zwischen zwei Finanzierungsrunden sehr knapp wird. Oder vielleicht hängt die Auszahlung der nächsten Tranche von einem Meilenstein ab, der erst in ein paar Wochen erreicht werden kann.
Es gibt zahlreiche Gründe, warum es bei Startups durchaus mal zu einer rechnerischen Überschuldung kommen kann. Und gerade deshalb ist für Start-ups eine positive Fortführungsprognose wichtig.
Die Fortführungsprognose fragt danach, wie sich die Lage des Unternehmens in nächster Zeit entwickeln wird. Ist das Unternehmen überlebensfähig? Wird es in den nächsten Monaten alle fälligen Verbindlichkeiten zahlen können? Oder wird das Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlen können?
Diese Fortführungsprognose wird über einen Zeitraum von 12 Monaten erstellt, d.h. dass in den nächsten 12 Monaten die Zahlungsfähigkeit gesichert sein muss. Aktuell gilt zwar noch bis zum 31.12.2023 eine Ausnahmeregelung. Diese hat den Prognosezeitraum vorübergehend auf 4 Monate reduziert. Aus Vorsichtsgründen solltest Du aber schon jetzt parallel wieder mit einem Prognosezeitraum von 12 Monaten rechnen. Und im Zweifelsfall direkt einen Insolvenzantrag einreichen und nicht erst mit Auslaufen der Ausnahmeregelung zum 31.12.2023.
Als überlebensfähig gilt ein Unternehmen grundsätzlich dann, wenn es ertragsfähig ist. Dafür muss die Vermögenslage unter Berücksichtigung der zu erwartenden Erträge so sein, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit alle Verbindlichkeiten rechtzeitig zahlen kann. Trifft das zu, fällt die Fortführungsprognose positiv aus. Der Test ist bestanden. Das Unternehmen ist nicht überschuldet, es muss kein Insolvenzantrag gestellt werden.
Nun sind Startups in den meisten Fällen erstmal nicht ertragfähig. Sie sind häufig auf Fremdfinanzierung angewiesen, um marktreif zu werden. Deshalb gelten laut dem Oberlandesgericht Düsseldorf besondere Maßstäbe für die Fortführungsprognose von Start-ups.
Bei einem Start-up genügt es, dass das Start-up mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% alle Zahlungsverpflichtungen in den nächsten 12 Monaten durch die Bereitstellung oder Zusage externer Mittel decken kann. Damit besteht es den Test für eine positive Fortführungsprognose.
Voraussetzung dafür ist aber, dass das Start-up eine nachvollziehbare und realistische Planung (insbesondere Finanzplanung) vorlegen kann. Außerdem muss das Start-up ein operatives Konzept verfolgen. Nur, wenn die Planung und das operative Konzept erfolgversprechend sind, darf das Start-up darauf vertrauen, dass ein Investor es weiterhin finanziell unterstützen wird.
Wer dagegen keine aussagekräftige Planung und kein operatives Konzept vorlegen kann, hängt – flapsig gesagt – allein vom guten Willen und der Laune des Investors ab. Unter diesen Umständen darf das Unternehmen nicht auf weitere Finanzierungszusagen vertrauen. Eine vernünftige Planung ist also extrem wichtig, nicht nur um die Situation des Unternehmens zu überwachen. Sie ist außerdem eine Absicherung für weniger gute Zeiten. Tipps, wie Du eine ordentliche Liquiditätsplanung aufbaust, bekommst du hier.
Allerdings kennt laut Oberlandesgericht Düsseldorf auch die Fremdfinanzierung von Start-ups ihre Grenzen. Die Liquidität muss mittelfristig gesichert sein. Und dafür müssen auf Dauer ausreichende eigene Erträge erzielt werden. Irgendwann muss das Start-up sich also selbst tragen.
Das bedeutet, dass die Planung eines Start-ups nicht auf eine dauerhafte Fremdfinanzierung ausgelegt sein kann. Vielmehr muss sich aus der Planung ergeben, dass das Start-up in Zukunft ausreichende Erträge erzielen wird und wie diese Erträge generiert werden.
Du siehst, selbst wenn für Start-ups andere Maßstäbe gelten, sind die Anforderungen für eine positive Fortführungsprognose hoch. Deshalb solltest Du eine rechnerische Überschuldung möglichst zu jeder Zeit vermeiden.
Und genau hier kommen Wandeldarlehen ins Spiel. Wandeldarlehen sind Darlehen, also erst einmal Fremdkapital. Sie haben aber einen eigenkapitalähnlichen Charakter, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen in GmbH-Anteile, also in Eigenkapital, gewandelt werden müssen. Treten die Voraussetzungen für die Wandlung nicht ein, müssen Wandeldarlehen grundsätzlich, wie jedes andere Darlehen auch, zurückgezahlt werden.
Damit ein Wandeldarlehen bis zur Wandlung nicht auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz verbucht wird, muss es mit einem sogenannten qualifizierten Rangrücktritt versehen werden. Aufgrund des qualifizierten Rangrücktritts darf das Wandeldarlehen, wenn es denn zurückgezahlt werden muss, nur aus freiem Kapital der Gesellschaft zurückgezahlt werden. Das bedeutet, dass sich aus der Rückzahlung des Wandeldarlehens keine Überschuldung der Gesellschaft ergeben darf. Hat die Gesellschaft nicht genügend freies Kapital, um das Wandeldarlehen vollständig zurückzuzahlen, darf der Darlehensgeber es nicht (vollständig) zurückverlangen.
Und auch im Falle der Insolvenz ist das Wandeldarlehen aufgrund des qualifizierten Rangrücktritts nachrangig. Im Insolvenzverfahren steht der Darlehensgeber dann auf einer Stufe mit den Gesellschaftern. Alle anderen Gläubiger bekommen vor dem Darlehensgeber ihren Anteil zurück und es ist eher unwahrscheinlich, dass für den Darlehensgeber noch etwas übrigbleibt.
Nach Ansicht des OLG Zweibrücken sind Wandeldarlehen formbedürftig, wenn sich ein Dritter darin verpflichtet GmbH-Anteile zu übernehmen (die Entscheidung des OLG Zweibrücken findest Du hier). Das ist regelmäßig der Fall, weil Wandeldarlehen meistens eine verpflichtende Wandlung vorsehen. Das diese von bestimmten Bedingungen abhängt, ändert nichts. Formbedürftig bedeutet, dass der Vertrag notariell beurkundet werden muss. In der Praxis wurden Wandeldarlehen allerdings sehr häufig ohne Notar abgeschlossen, also privatschriftlich. Das geht schneller und spart erstmal Kosten.
Der BGH hat seinerseits die Frage offengelassen, ob Wandeldarlehen notariell beurkundet werden müssen (den Beschluss des BGH findest Du hier). Auch ob das Formerfordernis gilt, wenn ein Gesellschafter der GmbH das Wandeldarlehen gewährt, ist weiterhin offen. Allerdings sollte allein schon aus Vorsichtsgründen ein Wandeldarlehensvertrag immer beurkundet werden. Denn die Folgen einer fehlenden Beurkundung sind gravierend.
Die Formnichtigkeit ist für Start-ups sehr gefährlich, da sie über Wandeldarlehen oft hohe Summen einsammeln. Wurde der Vertrag nicht notariell beurkundet, ist er als Ganzes nichtig, weil die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten wurde. Daraus folgt, dass die Gesellschaft aus einem unwirksamen Vertrag Geld erhalten hat. Dieses Geld muss die Gesellschaft zurückzahlen. Denn ohne Vertrag hat sie kein Recht, das Geld länger zu behalten oder die Umwandlung in GmbH-Anteile zu verlangen.
Hinzu kommt, dass der Vertrag insgesamt nichtig ist. Damit ist auch der qualifizierte Rangrücktritt nichtig. Die Gesellschaft steht plötzlich einer großen, fälligen Rückzahlungsverpflichtung gegenüber. Und weil auch der qualifizierte Rangrücktritt unwirksam ist, wird diese Forderung in der Überschuldungsbilanz auf der Passivseite verbucht. Dadurch kann es sehr leicht zu einer rechnerischen Überschuldung kommen.
In diesem Kontext wird es für ein Start-up sehr schwer, noch Finanzierungszusagen zu bekommen. Denn die Rückzahlung des unwirksamen Wandeldarlehens wird vermutlich nur verlangt, weil es in der Gesellschaft gerade nicht ganz rund läuft. Eine positive Fortführungsprognose zu bekommen wird also nicht leicht. Es droht Überschuldung und damit ein Insolvenzverfahren.
Die Liquiditätsplanung ist ein entscheidendes Instrument, um sicherzustellen, dass ein Start-up über ausreichend liquide Mittel verfügt, um seine laufenden Verpflichtungen zu erfüllen und finanzielle Engpässe zu vermeiden.
Das Finanzmanagement in Start-ups ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg bleibt, finanziell nachhaltig wächst und langfristig erfolgreich ist.
Eine gesicherte Liquidität sollte unbedingt zum Thema Nr. 1 bei Start-ups und Gründern zählen.
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